Donnerstag, 1. Dezember 2011

Lieber drei Skudden als ein lärmender Motormäher

Skudden sind selten. Nach wie vor  stehen sie auf der Roten Liste der bedrohten Nutztierrassen. 
Wer kauft sich im Winter einen neuen Rasenmäher? Wir! Antizyklisches Kaufverhalten nennt man das wohl in der Fachsprache der Marketing-Leute. Und da aller guten Dinge bekanntlich drei sind, haben wir den Rasenmäher gleich im Dreierpack erworben. Da gab es wohl einen ordentlichen Rabatt, werden Sie vermuten. Nein, gab es nicht. Aber drei Rasenmäher sind besser als einer, fanden wir. Einer allein wäre doch auf Dauer ganz schön einsam und traurig, vor allem, wenn er den ganzen Winter über nutzlos drinnen herumsteht, weil es draußen nichts für ihn zu tun gibt, solange das Gras nicht wachsen will.
Ja, unsere Rasenmäher sind sensible Wesen. Und Luxusmodelle obendrein, denn sie haben Allradantrieb. Oder zumindest so etwas ähnliches. Es handelt sich nämlich um vierbeinige Rasenmäher, auch unter dem Sammelbegriff Schafe bekannt.
Wir haben zwar auch zwei Ziegen und vier Ponys, aber die sind allesamt als Rasenmäher nicht zu gebrauchen. Die Pferde halten zwar das Gras halbwegs kurz, aber leider hinterlassen sie den Rasen so struppig, als hätte man ihn mit stumpfen Messern gemäht. Die Ziegen ihrerseits verschmähen das saftig grüne Gras und machen sich stattdessen lieber über die frischen Triebe sämtlicher Bäume her. Schafe hingegen, so hieß es, würden das Gras akkurat abfressen und sich deshalb mit den Pferden gut ergänzen. Die einen sorgen als Rasenmäher für den Grobschnitt, die anderen für den Feinschnitt.
Typisch für unsere Gegend sind die schwarzen gehörnten Heidschnucken, aber wir wollten lieber Tiere einer etwas kleinere Rasse haben, die sich leichter handhaben haben (zum Beispiel beim Einfangen, wenn sie mal ausgebüchst sind). Und sie sollten schöne weiche, weiße Wolle haben. Heidschnuckenwolle ist leider ziemlich grob und grau. Tagelang lasen wir im Internet über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Schafrassen. Dann war die Entscheidung gefallen: Skudden sollten es sein – eine alte nordische Schafrasse, und die kleinste hierzulande bekannteste obendrein. Die Widerristhöhe der Böcke beträgt durchschnittlich 55 bis 60 cm (bei einem Lebendgewicht von 35 bis 50 kg), die der Zibben 45 bis 50 cm (bei 25 bis 40 kg Lebendgewicht). Wir haben uns für drei Mädchen entschieden, die im März geboren und jetzt fast ausgewachsen sind. Da traf es sich gut, dass im Tiermarkt des hiesigen Anzeigenblattes gerade junge Skudden angeboten wurden.
Die Skudde ist ein robustes, genügsames Schaf, das sich mit mageren Weiden zufrieden gibt, also ideal für unsere staubtrockenen Sandböden ist. Sie gilt, was das Futter betrifft, als wenig wählerisch und frisst auch Brennnesseln, Disteln und Ampfer – und den Efeu von der Hauswand, wie wir inzwischen entsetzt feststellen mussten. Das Winterfutter besteht weitestgehend aus Heu. Kraftfutter muss nicht zugefüttert werden. Dank ihrer perfekt isolierenden Wolle können Skudden ganzjährig im Freien gehalten werden, brauchen nur einen offenen Unterstand, der sie vor Dauerregen und Schneetreiben schützt.
Skudden wären nach dem Zweiten Weltkrieg beinahe ausgestorben. Das ist zum Glück buchstäblich in letzter Minute verhindert worden. Dennoch steht diese Schafrasse nach wie vor auf der Roten Liste der bedrohten Nutztierrassen. Wir würden also noch ein gutes Werk tun, wenn wir uns irgendwann entscheiden würden, sie zu vermehren.
Die Autorin bei ihren drei kleinen Rasenmähern im Stall.
Nachdem unsere drei kleinen Kuscheltiere zwei Tage im Stall bleiben mussten, um sich einzugewöhnen, hatten sie am dritten Tag erstmals Ausgang. Als wir die Stalltür öffneten, stürmten sie aber nicht etwa hinaus, sondern blieben misstrauisch im Stall stehen. Schafe sind von Natur aus scheu und brauchen Zeit, um sich auf eine neue Situation einzustellen. Deshalb ist Ungeduld der größte Fehler im Umgang mit diesen Tieren. Man muss nur warten. Irgendwann siegt die Neugier. So auch in diesem Fall. Draußen auf der eingezäunten Obstbaumwiese direkt vor der Stalltür erkundeten die Skudden erst einmal vorsichtig das Terrain, bevor sich sich nach fast einer Viertelstunde endlich trauten, mit dem Grasen zu beginnen. Als es dunkel wurde, kam der spannende Augenblick: Würde es uns gelingen, die Schafe wieder in den Stall zu treiben? Zwei Versuche misslangen, die Tiere stürmten panisch in drei verschiedene Richtungen davon. Doch beim dritten Versuch klappte es fast. Zwei Tiere liefen in den Stall, nur das dritte Schaf wollte nicht. Ich bekam es aber zu fassen und schleppte es in den Stall – froh darüber, dass wir uns für die kleinen Skudden entschieden haben. Ein großes Milchschaf hätte ich nicht so einfach schnappen und tragen können.
Am vierten Tag liefen die Skudden abends schon allein zurück in den Stall.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen