Freitag, 13. Februar 2015

Höchste Zeit für den Umstieg

"Soviel Stau gab es noch nie" und "Eine Million Kilometer Stillstand"– so oder ähnlich lauteten heute die Schlagzeilen in den Online-Ausgaben vieler überregionaler Medien. Der Anlass war die Präsentation der ADAC-Stau-Statistik 2014. Dem Automobilclub zufolge gab es im vergangenen Jahr 475.000 Staus mit einer Gesamtlänge von 980.000 Kilometern. Alle gemeldeten Staus zusammen dauerten 285.000 Stunden – umgerechnet mehr als 32 Jahre.
Wenngleich der ADAC einräumt, dass die enorme Zunahme der Staus und Staukilometer um etwa 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr vor allem auf die genauere Erfassung der Staudaten zurückzuführen ist, offenbaren die Zahlen doch den ganzen Irrsinn auf den deutschen Straßen.
Für viele Politiker und die Autolobby – zwischen beiden Gruppen gibt es bekanntlich eine große Schnittmenge – lautet die folgerichtige Forderung: Noch mehr neue Straßen bauen und vorhandene ausbauen und verbreitern. Dabei fehlt schon jetzt das Geld, um das bestehende Straßennetz instand zu halten. Man denke nur an all die vielen maroden Autobahnbrücken, die zu sanieren sind.
Nein, so kann es nicht mehr weitergehen! Es muss endlich ein Umdenken stattfinden! Weg vom Auto und hin zum Fahrrad und zu öffentlichen Verkehrsmitteln. Immer mehr Schulabgänger haben sowieso keine Lust aufs Autofahren. Sie machen keinen Führerschein und investieren das gesparte Geld lieber in die neusten Modelle von iPhone und MacBook Air. Für sie sind Autos längst keine Statussymbole mehr, sondern altmodische Vehikel, die viel kosten, auch wenn sie gar nicht bewegt werden.
Autofahren kostet nicht nur viel Zeit und Nerven, sondern auch jede Menge Geld. Nicht nur im Transitland Deutschland, sondern auch in unseren Nachbarländern. Das britische Centre for Economic and Business Research (CEBR) hat ausgerechnet, dass die durch Staus verursachten Kosten in Großbritannien bis 2030 auf 20 Milliarden Pfund pro Jahr steigen werden, das sind umgerechnet rund 26,6 Milliarden Euro. Was für ein volkswirtschaftlicher Schaden! Da könnte man statt des Benzins auch gleich das Geld verbrennen.

Der Business-Pendler im Anzug kommt auch bei strömenden Regen trocken von A nach B, dank des neuartigen Regen- und Wetterschutzes "dryve", der von einem Konstanzer Ingenieur entwickelt worden ist und in wenigen Wochen in den Handel kommt und hoffentlich mehr Pendler zum Umstieg vom Auto aufs Fahrrad bewegen wird. Foto: www.dryve.ch/de
Zwei Drittel der von CEBR ermittelten Kosten entfallen auf den Großraum London. Boris Johnson, der Bürgermeister der britischen Metropole, in der bereits 8,6 Millionen Menschen leben, setzt deshalb konsequent aufs Fahrrad. Er will nach und nach den Autofahrern immer mehr Fahrspuren wegnehmen und sie zu Radwegen umwidmen. Außerdem plant er "Cycle Supherhighways"– Fahrradautobahnen, die von Norden nach Süden und von Osten nach Westen quer durch London führen soll. Die Idee ist nicht neu, in Kopenhagen und Odense hat man damit schon gute Erfahrungen gemacht und den drohenden Verkehrsinfakt weitgehend abgewendet. Und die Zahl der Pendler, die vom Auto aufs Fahrrad umsteigen, nimmt weiter zu. Gleichzeitig nehmen die Luftverschmutzung der Verkehrslärm ab, und dank da das Fahrradfahren den Menschen mehr Bewegung verschafft, wird auch das Problem der zunehmenden Verfettung der Wohlstandsgesellschaft etwas entschärft.
Eine gut ausgebaute Infrastruktur für Radfahrer ist die wichtigste Voraussetzung, um vor allem die Pendler, die morgens und abends die kilometerlangen Staus verursachen, zum Umstieg aufs Fahrrad zu bewegen. Nichts nervt mehr, als wenn man mit dem Fahrrad in der Stadt alle paar Meter an roten Ampeln halten muss und ständig befürchten muss, von einem abbiegenden Auto gerammt zu werden oder einen Fußgänger zu überfahren, weil Rad- und Fußwege nicht klar voneinander getrennt sind.
Seitdem E-Bikes auch für Normalverdiener erschwinglich geworden sind, zählt das Argument "Ich fahre lieber Auto, weil ich nicht verschwitzt bei der Arbeit ankommen will" nicht mehr. Vor Regen schützen neuerdings Faltdächer, und für den größeren Wochenendeinkauf gibt es praktische Fahrradanhänger. Und größere Entfernungen zwischen Wohnung und Arbeitsplatz lassen sich durch eine Kombination verschiedener Verkehrssysteme, idealerweise Bahn und Faltrad, überbrücken.
Londons Bürgermeister Boris Johnson hat es vorgemacht. Er ist so oft wie möglich mit dem Fahrrad unterwegs. Sein Namensvetter, der Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, geht sogar noch einen Schritt weiter und pfeift auf den ihm zustehenden Dienstwagen und fährt lieber mit dem Fahrrad.
Wenn mehr Politiker (und auch Firmenchefs) mit gutem Beispiel voran- und mit dem Rad zur Arbeit fahren würden, hätte das Auto als Pendlerfahrzeug bald ausgedient. Bei uns auf dem Land schmückten sich die Politiker viele Jahre damit, dass sie sich für den Bau von Radwegen entlang von Landes- und Bundesstraßen einsetzten. Viele dieser Radwege werden leider kaum benutzt, zum einen weil es nervt, direkt neben den lärmenden und stinkenden Autos zu fahren, zum anderen weil die Radwege oft vernachlässigt werden. Im Winter zum Beispiel werden die Fahrbahnen selbstverständlich von Schnee und Eis befreit, während die Radwege geradezu im Schnee versinken (wenn es denn mal geschneit hat, was inzwischen nicht mehr so oft vorkommt). Viele genervte Radfahrer sind deshalb lieber abseits der Straßen auf asphaltierten Wirtschaftswegen unterwegs.
Es reicht nicht, einen Radweg von A nach B zu bauen. Vielmehr muss auch in ländlichen Regionen eine neue Verkehrsinfrastruktur geschaffen werden, die Rad- und Bahnfahren miteinander verknüpft. Dazu gehört zum Beispiel auch der Bau von Fahrradparkhäusern (gibt es unter anderem in Lüneburg), damit Pendler ruhigen Gewissens auch ein hochwertiges Fahrrad am Bahnhof abstellen können, ohne Angst haben zu müssen, dass es abends nicht mehr da steht, wo sie es morgens abgestellt haben.

1 Kommentar:

  1. Hallo, ein sehr guter Artikel, ich bin der selben Meinung, dass es endlich Zeit ist für einen Umstieg. Ich denke aber, dass für eine langfristige Verbesserung der Luftqualität staatliche Maßnahmen her müssen. Wie dem auch sei, ich selber habe privat einen sogenannten Humidity Sensor, der misst mir die exakten Werte der Luft und ich kann so ein wenig steuern, wie viel schlechte Luft ich tatsächlich einatme :D Liebe Grüße

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