Samstag, 21. Januar 2012

Zeitreise in die Goldenen Zwanziger

Ein typisches Zwanziger-Jahre-Kleid.
So schlimm der Erste Weltkrieg auch war, für die Frauen begann mit ihm eine neue und bessere Zeit, eine Zeit der Befreiung und Emanzipation. Während die Männer fern der Heimat in irgendwelchen Schützengräben lagen, standen zu Hause die Frauen "ihren Mann" und übernahmen viele Aufgaben, die bis dahin den Männern vorbehalten waren. Nach Kriegsende blieben sie weiterhin berufstätig, und zwar nicht nur in den früher typischen Frauenberufen (Kindermädchen, Haushälterin, Köchin, Näherin), sondern auch zunehmend im Büro und im Verkauf. Auch in der Öffentlichkeit sah man die Frauen jetzt öfter ohne männliche Begleitung. Sie fuhren Fahrrad und Auto, trieben Sport, gingen auf Reisen und vergnügten sich beim Gesellschaftstanz. Und im Jahr 1919 durften die Frauen auch erstmals zur Wahl gehen.
Am deutlichsten zeigte sich die Emanzipation der Frau in der Mode jener Zeit, die durch eine Abkehr vom femininen Ideal der Vorkriegszeit geprägt ist. Die Röcke und Kleider wurden kürzer, die Haare auch, und das Korsett verschwand endgültig in den Tiefen des Kleiderschranks. Elastische Unterwäsche drückte die Brust flach, die Taille blieb unbetont, gerade geschnittene Kleider hingen lose am Körper. Die neue Frau war schlank und mobil, gab sich selbstbewusst und jugendlich und ein bisschen burschikos.
Ein paar Jahre nach Kriegsende geht es in Deutschland mit der Wirtschaft wieder aufwärts, die Zeit der Goldenen Zwanziger bricht an und mit ihr die Ära der Coco Chanel. Durch sie kommen das "Kleine Schwarze", das kurze Gesellschaftskleid und der Damenpyjama in Mode. Außerdem mach Coco Chanel den "unechten" Modeschmuck gesellschaftsfähig.
Die Autorin in der Ausstellung im Bomann-Museum
Woher ich das alles weiß? Nun, ich habe mich heute auf eine Zeitreise in die Goldenen Zwanziger begeben und unterwegs einige Notizen gemacht. Die Zeitreise fand im Bomann-Museum in Celle statt, wo zurzeit die im Winter-Heft angekündigte Sonderausstellung "Pailletten, Posen, Puderdosen" zu sehen ist. Gezeigt werden mehr als 100 Modezeichnungen aus der Sammlung der Staatlichen Museen zu Berlin und rund 200 Puderdosen und Kosmetikartikel aus einer Berliner Privatsammlung. Außerdem sind verschiedene Kleider und Accessoires aus jener Zeit zu sehen.
Ich hatte mich sehr auf die Ausstellung gefreut, war dann aber doch etwas enttäuscht. Die Exponate wurden offenbar ohne museumspädagogischen Anspruch zur Schau gestellt. Man wurde förmlich erschlagen von der kaum überschaubaren Fülle. Weniger wäre mehr gewesen. Ich hätte mir lieber Klasse statt Masse gewünscht. Und ein wenig mehr Kreativität bei der Gestaltung der Ausstellung. Alte Film- und Tondokumente und etwas mehr Dekoration hätten die doch so etwas schlicht und lieblos wirkende Ausstellung lebendiger und ansprechender gemacht. So blieb es bei der Vermittlung von Wissen, aber das sinnliche Erlebnis blieb aus. Schade, denn das Thema ist hoch interessant, liegen doch die Wurzeln der modernen, emanzipierten Frau in den Goldenen Zwanzigern. Zur Ehrenrettung des Museums, das immerhin eines der bedeutensten in Niedersachsen ist, muss allerdings erwähnt werden, dass zu der Ausstellung ein umfangreiches Begleitprogramm geboten wird. Die Besucher können zum Beispiel lernen, Charleston zu tanzen oder sich im Stil der Zwanziger Jahre zu schminken.
Die Ausstellung läuft bis zum 4. März.

2 Kommentare:

  1. Zwar hat es nach dem 1.Weltkrieg einige Verbesserungen für die gesellschaftliche Situation der Frau gegeben, in der Zeit des Nationalsozialismus aber ging wieder alles verloren, und im 2. Weltkrieg durften sie wieder "ihren Mann" stehen. Auch nach 1945 wurde es dann nicht wirklich besser. Die Männer, die in der Hauptsache die Katastrophe der Nazizeit zu verantworten hatten, setzten sich wieder gegen die Frauen durch und übernahmen das Ruder. Erst nach und nach errangen die Frauen mehr Rechte, und sie sind auf einem guten Wege, ihre Stellung so zu festigen und auszubauen, dass das sich Rad der Geschichte hoffentlich nicht mehr zurückdrehen lässt. Eine Feminisierung der Gesellschaft kann uns allen nur guttun. Liebe Grüße Felicitas

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    1. Vielen Dank für Deine ausführlichen Erläuterungen, denen ich uneingeschränkt zustimmen kann.
      Liebe Grüße
      Inka

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