Mittwoch, 15. Januar 2014

Saatgutvielfalt in Gefahr

Plakat zur Großkundgebung am Sonnabend in Berlin.
Eigentlich müssten sich am Sonnabend sämtliche Landwirte aus der Südheide auf den Weg nach Berlin machen, um an der 4. Wir-haben-es-satt-Demonstration gegen die Agrarindustrie und für eine bäuerliche Landwirtschaft teilzunehmen, die um 11 Uhr auf dem Potsdamer Platz startet. Aber wahrscheinlich werden die meisten zu Hause bleiben, obwohl es auch oder sogar vor allem um ihre Belange geht. Wenn es nicht gelingt, die geplante EU-Saatgutverordnung zu stoppen, müssen die Landwirte befürchten, noch tiefer in die Abhängkeit der drei multinationalen Unternehmen zu geraten, die schon jetzt mehr als die Hälfte des weltweiten Saatguthandels kontrollieren. Die EU-Kommission will den Verkauf von Saatgut europaweit harmonisieren, wie es im wohlklingenden Sprachgebrauch der Brüsseler Bürokraten heißt. Statt harmonisieren müsste es korrekterweise vereinheitlichen heißen. Einheits-Saatgut kann aber weder im Interesse der Landwirte noch der Verbraucher liegen. Die Vielfalt auf unseren Feldern würde durch aufwändige und teure Zulassungsverfahren gefährdet. Für viele seltene oder regionale Sorten wäre das Zulassungsverfahren eine unüberwindbare Hürde. Nach den heftigen Protesten gegen den im Mai 2013 von EU-Kommissar Tonio Borg vorgelegten Entwurf einer EU-Saatgutverordnung wurde die geplante Verordnung zwar etwas entschärft, aber nach wie vor begünstigt sie die großen Konzerne. Immerhin sollen jetzt Privatpersonen und kleine Unternehmen mit weniger als zehn Angestellten und zwei Millionen Euro Jahresumsatz kleine Mengen Saatgut von Nischensorten auch ohne Zulassung auf den Markt bringen dürfen. Was unter kleinen Mengen zu verstehen ist, wird allerdings nicht erläutert.
Über die Saatgutverordnung entscheidet letztendlich zum Glück nicht die EU-Kommission, sondern das Europaparlament. Die parlamentarischen Beratungen beginnen am 21. Januar. Wenn es gelingt, viele Parlamentarier davon zu überzeugen, wie wichtig die Saatgut-Vielfalt ist, kann die Saatgutverordnung noch gekippt oder zumindest so geändert werden, dass sie nicht einseitig die marktbehrrschenden Großkonzerne noch größer und mächtiger macht.
Wer nicht am Sonnabend nach Berlin fahren will oder kann, sollte zumindest die Möglichkeit nutzen, bei campact.de (Demokratie in Aktion) die Saatgut-Kampagne zu unterstützen. Rund 250.000 Menschen haben schon dem Appell für Bunte Vielfalt statt genormter Einfalt unterzeichnet.
Der Protest gegen die Saatgutverordnung wird von zahlreichen Organisationen getragen. Mit dabei sind zum Beispiel Zukunftsstiftung Landwirtschaft (Save our Seeds), die Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft, das Agrarbündnis Niedersachsen und die Initiative Meine Landwirtschaft.
Die junge Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (jAbL) hat heute in Hannover mit den guten Wünschen des niedersächsischen Landwirtschaftsministers Christian Meyer in Hannover ihre "Saatgut-Tour" gestartet. Eigentlich handelt es sich dabei um zwei Trecker-Touren: Die eine führt zur Wir-haben-es-satt-Kundgebung am Sonnabend in Berlin, die anderen zur Kundgebung gegen die Reform der europäischen Saatgutgesetzgebung am 20. Januar in Brüssel. Mehr Infos unter www.saatgut-tour.de.

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